„Ich hatte gar nicht die Gelegenheit, mich richtig zu verabschieden.“

Interview mit Jaime Fernández, der zum Premium Cup nach Nordhorn zurückkehrt

23.08.2024

Jaime Fernández (27) hat ab dem Sommer 2022 für ein Dreivierteljahr als Linksaußen bei der HSG Nordhorn-Lingen gespielt und ist in dieser Zeit schnell zum Publikumsliebling der HSG-Fans geworden. Wegen eines verletzungsbedingten Ausfalls vom damaligen Montpellier-Spieler Hugo Descat, wechselte der Spanier im März 2023 vorzeitig zum südfranzösischen Spitzenclub und sorgt seitdem in der Ligue Nationale sowie im Europapokal für Furore. Mit HB Montpellier kehrt er nun zum HSG Premium Cup zurück in die Grafschaft. Dort trifft er am Samstag, im zweiten Halbfinale, auf den FC Barcelona und womöglich einen Tag später auch auf die HSG Nordhorn-Lingen.

Jaime blieb als sehr offener, sympathischer und durchweg angenehmer Menschen in Erinnerung. Dieser Eindruck wurde erneut bestätigt, als wir gut eine Woche vor dem Turnier, mit ihm am Telefon gesprochen haben. Lest selbst:

 

Hallo Jaime, damals ging es ja wirklich schnell mit dem Deutsch lernen. Wie sieht es denn inzwischen mit deinen Französisch-Kenntnissen aus?

„Ich verstehe alles und kann mich auch schon ganz gut verständigen. Sprache ist enorm wichtig und hilft viel bei der Integration. Und dass ich nun Französisch lerne, macht sich auch gut in meinem Lebenslauf (lacht)."

Dein neuer Trainer in Montpellier – Ex-Trainer Patrice Canayer wurde nach 30-jähriger Amtszeit von Erick Mathé abgelöst – ist ja auch wieder ein Franzose. Hast du ihn überhaupt schon kennengelernt?

„Weil er als Co-Trainer der Nationalmannschaft bei Olympia war, hat er erst wenige Trainingseinheiten geleitet. Die ersten Eindrücke von ihm sind auf jeden Fall sehr positiv. Allerdings fehlt aktuell noch ein Großteil der Spieler aus dem Profikader. Die Olympia-Teilnehmer kommen erst am Montag zurück – also in der Woche vor dem Turnier in Nordhorn."

Nordhorn ist das Stichwort. Welche Erinnerungen hast du an dein Dreivierteljahr bei der HSG?

„Das war eine sehr positive Zeit. Ich habe als 25-Jähriger zum ersten Mal meine Heimatstadt Leon verlassen und hatte schon Respekt davor. Und auch wenn es manchmal hart war, weil ich ja allein nach Deutschland gekommen bin: Es war eine durchweg positive Erfahrung für mich. Mit dem Team konnte es nicht besser sein, und wenn ich nicht auch guten Handball gespielt hätte, dann hätte ich wohl auch nicht die Chance für den Wechsel nach Montpellier bekommen. Ich habe es genossen, für die HSG zu spielen, und wenn ich zurückschaue, dann sage ich, dass es eine gute und richtige Entscheidung war, nach Nordhorn zu kommen."

In Montpellier, das sehr nah am Mittelmeer liegt, dürfte das Wetter um einiges besser sein als bei uns ...

„Ja, das stimmt, in Deutschland war es manchmal recht kalt. Dagegen ist es gerade in Montpellier extrem heiß. Zum Glück sind es von da, wo wir wohnen, nur gut zehn Minuten bis zum Strand. Die Lebensqualität ist wirklich hoch und meine Freundin und ich fühlen uns mit unserem kleinen Hund hier sehr wohl."

Bist du denn mit dem Verlauf der vergangenen Handballsaison mit Montpellier HB zufrieden?

„Es hätte eine großartige Saison werden können, wenn wir das Champions League Final4 erreicht hätten. Das Ausscheiden gegen den THW Kiel war ja ganz, ganz knapp. Trotzdem hatten wir insgesamt eine gute Saison – auch mit dem dritten Platz in der Liga. Leider haben wir auch dort entscheidende Spiele verloren, sonst wäre auch da auch noch mehr drin gewesen."

Und deine eigene Performance? Du teilst dir ja deine Linksaußen-Position mit dem schwedischen Nationalspieler Lucas Pellas ...

„Ich bin mit meiner Leistung zufrieden, aber natürlich kann man immer noch besser spielen. Und was Lucas angeht: Wir sind ein gutes Tandem und haben ein ausgezeichnetes Verhältnis zueinander. Er wohnt in der Nachbarschaft und wir unternehmen auch einiges zusammen."

In Nordhorn und Lingen warst du ein Publikumsliebling. Wie ist das mit den Zuschauern in Montpellier?

„Wir haben sehr viele großartige Spieler im Team. Ich selbst versuche auf jeden Fall immer meine Leidenschaft für den Sport zu zeigen und so auch eine Verbindung zu den Fans zu bekommen. Und die Handball-Begeisterung in der Stadt ist enorm. Normalerweise spielen wir in einer kleineren Halle, die regelmäßig mit rund 3.500 Fans ausverkauft ist. Für größere Spiele – z. B. zuletzt in der Champions League – ziehen wir dann um und spielen vor 10.000 Zuschauern."

Und wie haben du und deine Freundin nach Saisonende den Sommer verbracht?

„Zuerst waren wir eine Zeit lang bei unseren Familien zu Hause in Leon, dann haben wir drei Wochen Urlaub auf den Philippinen gemacht und jetzt sind wir schon wieder ein Weilchen in Montpellier."

Hast du die Olympischen Spiele, insbesondere den Handball, verfolgt?

„Ja, natürlich, zu der Zeit waren wir schon wieder hier. Die spanische Mannschaft hatte ja gegen die Deutschen die große Chance, ins Finale einzuziehen, doch Andreas Wolff hat das Tor leider regelrecht zugenagelt".

Deine Zeit bei der HSG liegt nun schon fast 1½ Jahre zurück. Verfolgst du die Spiele der Mannschaft trotzdem noch?

„Auf jeden Fall informiere ich mich darüber, die Spiele der HSG sind in meinen Favoriten gespeichert. Leider kann ich die Livestreams in Frankreich nicht empfangen, doch dafür bin ich zwischendurch noch mit ein paar der Jungs in Kontakt."

Und wenn du an deine bevorstehende Rückkehr am nächsten Wochenende denkst – worauf freust du dich?

„Es ist natürlich etwas ganz Besonderes für mich. Damals ging alles ja ganz schnell und ich hatte auch gar nicht die Möglichkeit, mich richtig zu verabschieden. Das möchte ich gern nachholen und mich bei den Fans und all den Menschen rund um die HSG für die Zeit bedanken."

Lieber Jaime, vielen Dank für das Gespräch! Wir freuen uns darauf, dich wiederzusehen und wünschen dir von Herzen ein rundum gelungenes Wochenende in Nordhorn!